„…trotz »neu geschmiedet« erbeben Welten.“ So in etwa könnte man den besorgniserregenden Prozess beschreiben, dem WarCraft III nun schon seit über einem Jahr ausgesetzt ist.
Es war wirklich nicht zu erwarten, dass die neue Plattform WarCraft III: Reforged seinen betagten Vorfahren, das legendäre WarCraft III: The Frozen Throne, so vollkommen in sich aufgehen lässt. Daher ist es an der Zeit dem zwiespältigen Einfluss von WarCraft III: Reforged ein wenig unter die Lupe zu nehmen und festzuhalten, was all dies für die Helden in WarCraft III bedeutet.
Herrschaft des Chaos
Die ersten Anzeichen dafür, dass etwas Größeres für WarCraft III geplant war, begannen schon 2016 wie aus heiterem Himmel. Und das nach 8 langen Jahren! Doch die anfängliche Euphorie schlug bald in nüchterne Befangenheit um, als allmählich klar wurde, dass neue Patches für WarCraft III nicht nur Gutes mit sich brachten. Vor allem die stetigen kleinen Veränderungen am Editor machten nicht immer ein gutes Bild.
Dann erschien 2017, über ein Jahr später, endlich StarCraft: Remastered und es wurde endgültig unter Beweis gestellt, dass Blizzard seine Klassiker in ein zeitgemäßes Gewand packen wollte. Die logische Konsequenz dessen war natürlich die überfällige Ankündigung von WarCraft III: Reforged auf der BlizzCon 2018. Hatte Blizzard jedoch bei StarCraft: Remastered alles richtig gemacht, ging WarCraft III: Reforged einen ganz anderen, überaus eigenartigen Weg.
Bis zum Tag der Veröffentlichung mutete das Ganze wie die „HD-Version von WarCraft III“ an. Doch es kam ganz anders: Eine desaströse – weil unvollständige – Veröffentlichung, eine mangelhafte sowie fehlerhafte Kommunikation bezüglich Spielinhalten und zum krönenden Abschluss ein stetig versiegender Fluss an Inhaltspatchen nach der Veröffentlichung, wobei letzter Punkt möglicherweise auch den Folgen der Weltgesundheitssituation geschuldet ist.
Das Licht ist meine Stärke
WarCraft III: Reforged ist an und für sich gesehen eigentlich kein schlechtes Spiel. Das Problem ist aber: es bricht in seinen neuen Gewändern zu sehr mit seinem altehrwürdigen Vorfahren. Die Gründe dafür sind unter anderen die teilweise zu stark modernisierte Grafik oder auch die völlig neue Menü-Umgebung und natürlich auch die neue deutschsprachige Vertonung. Bevor diese drei und andere negative Punkte angesprochen werden, ein kurzer (kritischer) Blick auf die guten Seiten.
Die positiven Seiten in WarCraft III: Reforged sind leider eher spärlich gesät. Hervorragend ist die Option die originale Grafik von 2003 einzuschalten. Im Grafiksektor ist also eine Wahloption vorhanden, doch warum existiert im Hinblick auf den Sound keine Auswahlmöglichkeit, die originale Vertonung von 2003 einzuschalten?
Außerdem ist nach langen Rudern der Editor von WarCraft III nun erstaunlich stabil. Das war nicht immer so. Gerade in den beiden Jahren 2017 und 2018 kam es in unregelmäßigen Abständen zu abrupten Abstürzen des Editors, je länger man damit gearbeitet hat. Außerdem produziert der Editor seit 2017 beim Start dubiose Fehlermeldungen. Der Editor hat jetzt allerdings jede Menge Assets aus der HD-Version des Spiels mit in seinen Bibliotheken, die sich aber, sobald der Editor mit der originalen Grafik-Version betrieben wird, so gar nicht miteinander vertragen. Immerhin ist die Stabilität des Editors insgesamt aber nun wieder erstaunlich konstant.
Die HD-Grafik ist als solche wirklich als erstklassig anzusehen. Wenn es nur nicht einem gewissen Erbe gerecht werden müsste, aber dazu kommen wir gleich. Die Models sehen individueller denn je aus, und sogar der originale Grafikmodus hat einige Neuzugänge in der Palette spendiert bekommen. Das ist toll, wird aber wieder von der Tatsache getrübt, dass einige Dinge wie zufallsgenerierte Gegenstände im HD-Modus nicht funktionieren oder von Models/Skins schlichtweg der Dateipfad zerschossen oder auch ganz und gar entfernt worden sind.
Die neue deutsche Vertonung ist ebenfalls im Grunde sehr gelungen, besonders die Orcs machen nun ein sehr gutes stimmliches Bild. Im originalen WarCraft III von 2003 hatten speziell die Orcs teilweise sehr menschliche Stimmen. Thrall oder Grom Hellscream klangen wie menschliche Schurken, aber nicht wie kehlige Orcs. Dennoch schneidet die Vertonung des originalen WarCraft III ein bisschen besser ab als die neue Vertonung von Reforged. Hier spielt sicherlich der Nostalgiefaktor eine Rolle. Ein besonderer Tiefpunkt in Reforged sind allerdings die Banshee der Untoten und der Flugapparat der Menschen, dem sämtlicher Wiedererkennungswert genommen wurde.
Erzittert vor der Geißel
Doch die Grafik, das Menü und die Vertonung stellen aber dennoch auch gleichzeitig drei der größten Probleme dar.
Die Grafik und besonders das Terrain könnte nicht weiter vom Original entfernt sein. Der Übergang zwischen originaler Grafik und neuer Grafik ist praktisch nicht vorhanden. Das wird besonders deutlich, wenn man Bodentexturen oder Doodads miteinander vergleicht. Diese beiden Komponenten sind für die optische Wahrnehmung leider essentiell und prägen dem visuellen Erscheinungsbild von WarCraft III in HD einen ungewollt eigentümlichen Stempel auf. Die Modelle sämtlicher Einheiten hingegen sind, wie bereits gesagt, wunderschön. (Obwohl die weiblichen Todesritter und Dämonenjäger nun wirklich nicht hätten hinzugefügt werden müssen…)
Die Menü-Umgebung wurde unverständlicherweise vollkommen verändert. Das Interface, die Hintergrundgrafiken, die Menüführung im Ganzen – es wirkt dadurch wie ein völlig anderes Spiel. Aber warum dieser Schritt? Das Menü bei StarCraft: Remastered wurde auch nicht verändert, sondern eben nur in zeitgemäße Optik in High Definition verpackt. Das wäre eben auch für WarCraft III: Reforged absolut erforderlich gewesen, Stichwort „Wiedererkennungswert“.
Die neue (deutschsprachige) Vertonung ist wie gesagt im Grunde auch alles andere als schlecht. Aber schon StarCraft: Remastered hatte das Handicap, dass durch die neue stimmliche Klangwelt eine eigentümliche akustische Wahrnehmung entstand, die befremdlich wirken kann. Dass die Option, die originale Vertonung von 2003 wieder einzuschalten, bei WarCraft III: Reforged aber überhaupt gar nicht vorhanden ist, ist einfach nur unpassend.
Warum diese Unzulänglichkeiten? Warum nicht wie bei StarCraft: Remastered, wo wirklich ALLES beim alten geblieben ist und wahlweise eben nur in HD-Grafik oder mit neuer Vertonung erstrahlt? Hier verbleibt klar zu sagen, was war zuerst da? Das Original oder die Neuauflage? Die Neuauflage sollte sich immer am Original orientieren, und nicht anders herum.
Ich mich doch nicht anhören wie Yoda, oder?
Das mit Abstand größte Defizit bei WarCraft III: Reforged ist die Entfernung des Spielmodus „Eigene Kampagnen“. Die Gründe dafür wurden von Blizzard Entertainment jedoch bis heute nicht genannt. Ein Termin, wann dieser Spielmodus denn nun wieder verfügbar gemacht wird, existiert auch nach über einem Jahr nicht. Nach der Veröffentlichung von Reforged war bekanntlich auch der Spielmodus „Eigene Karte“ entfernt worden, dieser wurde jedoch glücklicherweise einige Monate (!) nach der Veröffentlichung wieder verfügbar gemacht.
Weiterhin scheint, wie eingangs bereits erwähnt, der Vorfahre von Reforged, das originale WarCraft III aus dem Jahr 2002/2003, plötzlich von Blizzard Entertainment für obsolet erklärt worden zu sein. Keine Patches mehr für das Original, kein Download-Button mehr, nichts. Es fühlt sich, überspitzt gesagt, schon beinahe so an, als wären 20 Jahre weg gewischt worden. Das originale Spiel ist quasi verschwunden, seitdem Reforged erschienen ist. Aber eigentlich ja auch nicht, denn es lässt sich ja jederzeit in Reforged auswählen, indem man im Hauptmenü den Schieberegler von Reforged auf Classic stellt.
Bei StarCraft würde man in diesem Fall von einer Assimilation sprechen.
Göttin, erleuchte meinen Weg!
Aufgrund dieser ganzen Entwicklungen wurde wenige Tage nach der Veröffentlichung von WarCraft III: Reforged der Download der Kampagnen von WarCraft III: Heroes deaktiviert. Der Hauptgrund dafür war, dass im gesamten Jahr 2020 intensive Spieltests mit der neuen Plattform WarCraft III: Reforged durchgeführt worden sind. Im Rahmen dessen sind zahlreiche Inhaltsupdates für Heroes erfolgt, die mit dem nächsten Update veröffentlicht werden. Außerdem sind folgende Entscheidungen gefallen.
⇒ Die künftige Plattform: Obwohl Heroes nach wie vor ein Projekt für WarCraft III: The Frozen Throne ist, wird die zukünftige Plattform für Heroes selbstverständlich WarCraft III: Reforged darstellen. Diese Entscheidung war unumgänglich, da die Abwärtskompatibilität aufgrund der ausbleibenden Unterstützung von Seiten Blizzard Entertainment einfach nicht mehr gewährleistet ist. Es kann also unter Umständen bei der Nutzung der alten Box-Version von WarCraft III: The Frozen Throne aus dem Jahre 2002/2o03 zu Problemen kommen, da alle Maps mit dem Editor von WarCraft III: Reforged gepflegt werden.
⇒ Download der Kampagnen: Die Prolog-Kampagne und die 4 Hauptkampagnen werden auch weiterhin nicht zum Download freigegeben, bis der Spielmodus „Eigene Kampagnen“ in WarCraft III: Reforged wieder freigeschaltet worden ist. Wann dies der Fall sein wird, ist nach wie vor unbekannt. Irgendwann im zweiten Quartal von 2020 schrieb das Entwicklerteam von Blizzard im Forum, dass der Menüpunkt „Eigene Kampagnen“ demnächst wieder mit hinzugefügt werden solle. Fast ein Jahr später besteht nun schon längst Grund zur Sorge…
⇒ Nutzung der HD-Grafik: Der Grafikmodus Reforged (Schieberegler im Hauptmenü) kann für WarCraft III: Heroes nicht genutzt werden. Es bestehen zu viele nicht korrigierbare Unterschiede zum Grafikmodus Classic (originale Grafik von 20o2/2003).
Doodads: Nicht nur, dass einige Doodads wie Türen oder Brücken vollkommen anders dargestellt werden, keine übereinstimmenden Texturen (Türen) oder übereinstimmenden Höhen (Brücken) mehr, auch viele andere Dinge passen nicht mehr mit dem ursprünglichen Setup zusammen. Zudem sind etliche Doodads auch einfach entfernt worden aus den Bibliotheken, sodass beim Start des Editors ein grünschwarzes Quadrat mit einer Fehlermeldung erschienen ist. Diese Doodads wurden aus Heroes dauerhaft entfernt.
Die Grafikmodels einiger Einheiten sind zum Teil ebenfalls vollkommen verschieden, sofern die entsprechende Option in der Sammlung des Spiels ausgewählt worden ist. (Erforderlich dafür ist die „Spoils of War“ Edition.)
Betroffen sind:
- Der Erzmagier (Tenn Flamecaster) der Menschen wird als Jaina Proudmoore hoch zu Ross dargestellt.
- Der Todesritter (Baron Morte) der Untoten ist nach Aktivierung standardmäßig als weibliche Form eingestellt.
- Der Dämonenjäger (Firebrand) der Nachtelfen ist nach Aktivierung standardmäßig als weibliche Form eingestellt.
- Der Hüter des Hains (Larodar) der Nachtelfen ist nach Aktivierung standardmäßig als dämonischer Cenarius eingestellt.
Es fehlt eine Auswahloption im Editor die verschiedenen Varianten vor einzustellen und somit die Auswahl in der Sammlung zu negieren.
⇒ Soundausgabe: Ein weiterer Schwerpunkt ist die mit WarCraft III: Reforged eingeführte neuartige Nutzung des Audioformats .flac im Editor. Damit wurde das bisherige Rohdateiformat .wav von Blizzard Entertainment auf dem Abstellgleis geparkt. Dies wurde natürlich aus Gründen des Platzsparens durchgeführt, denn der Dateityp .flac ist wesentlich kleiner als der Dateityp .wav, aber leider wird damit auch die originale Version von 2002/2003 in ein dunkles Verlies geführt, denn diese Spielversion unterstützt den Dateityp .flac nicht.
⇒ Die Zusatzkampagnen: Einer der meistgefragtesten Punkte der letzten Monate. Die Zusatzkampagnen für WarCraft III: Heroes sind zu 90 Prozent fertig. Sie werden aber definitiv erst dann erscheinen, wenn die Unterstützung für „Eigene Kampagnen“ in WarCraft III: Reforged wieder hergestellt worden ist und die Prolog-Kampagne sowie die 4 Haupt-Kampagnen wieder zum Download freigegeben worden sind. Die Namen der drei Kampagnen lauten:
5. Wächter-Kampagne: Ebbe und Flut
6. Allianz-Kampagne: Leben und Tod
7. Geißel-Kampagne: Frost und Flamme
Fazit
Dies ist der momentane Stand der Dinge. Es ist sicher nicht abwegig auch weiterhin auf Verbesserungen zu hoffen, zumal inzwischen bekannt geworden ist, dass das kleine interne Entwicklerteam im Hause Blizzard Entertainment, welches bislang die klassischen HD-Versionen betreut hat und in letzter Zeit leider einen immer stärker werdenden Eindruck der Überforderung erweckt hat, kürzlich immens aufgestockt worden ist. Das Studio Vicarious Visions wurde vor einiger Zeit Blizzard Entertainment höchstselbst eingegliedert und ist fortan für die Abteilung der Remakes zuständig. Das ist ein gutes Zeichen.
Unterdessen wird die Entwicklung hier in diesen kleinen geheimen Bunker fortgesetzt. Die Reihenfolge der nächsten zu veröffentlichenden Projekte sehen wie folgt aus: den Anfang macht das größere Update für WarCraft III: Heroes, später folgen dann die Zusatzkampagnen für WarCraft III: Heroes und danach erscheinen etappenweise die Kapitel der Planetary Adventures für StarCraft II. Dazu erfolgt demnächst auch ein Beitrag. Ansonsten gilt wie immer: It’s done, when it’s done!