Das Kolonieschiff

Insgeheim arbeiteten die Verantwortlichen innerhalb der Konföderation schon lange an diesem Plan. Und nun endlich, da sich der Gildenkrieg gegen das Kel-Moria-Kombinat dem Ende entgegen neigte, war der Zeitpunkt gekommen die Saat der langen Vorbereitung auszustreuen. Das Projekt lief schon seit über 7 Jahren. Die Superträger, mit denen die Strafgefangenen damals von der Erde verstoßen worden sind, die Nagglfar, die Sarengo und die Reagan, gaben den Anstoß für dieses überaus gewagte Vorhaben. Obwohl das geplante Unterfangen nicht mal halb so groß in seinen Ausmaßen war wie die Bemannung der terranischen Superträger vor über 200 Jahren, fehlte es den Köpfen hinter dieser Unternehmung keineswegs an Entschlossenheit.

Tag und Nacht konstruierten zahlreiche Ingieneure an einem gewaltigen Schiff, das allerdings im Vergleich zu den Superträgern nicht standhalten konnte. Einem Kolonieschiff, das den Machtraum der Konföderation noch mehr erweitern sollte. Noch mehr Ressourcen! Noch mehr Welten! Jedes Mittel war Recht und alle Optionen wurden jahrelang sorgfältig geprüft. Das riesige Kolonieschiff hatte Platz für über zwölfhundert Passagiere, es war mit Kälteschlafkammern ausgerüstet, verfügte über Flüssignahrungstanks, die so groß wie der Rumpf eines Forschungskreuzers war, und natürlich über genügend Platz für Baumaterial der neuen Kolonien auf vielversprechenden Welten. Der schiffsinterne Computer sollte auf seinem Kurs ständig in Frage kommende Planeten scannen und alle erforderlichen Daten berechnen. Alles schien perfekt…. Alles schien bis ins Detail geplant.

Als das Kolonieschiff aufbrach, bestand kein Zweifel daran, dass die Expedition von Erfolg gekrönt sein würde. Die Alten Familien der Konföderation hatten genug investiert, um an den fruchtbaren neuen Weidegründen ordentlich teilzuhaben. Das Kolonieschiff verschwand aus dem Koprulu-Sektor, in dem noch immer der Krieg zwischen dem morianischen Kombinat und der verruchten Konföderation herrschte. Wie ein gigantischer Sarg schob sich das Kolonieschiff durchs All, auf seiner Suche ins dunkle Unbekannte. Die schlafenden Kolonisten lagen regungslos in ihren Kühlkammern und ahnten nicht, was für einen unerwarteten Verlauf ihre Reise nehmen würde.

Binnen weniger Minuten wurde die Masse des Kolonieschiff plötzlich von einem Gravitationsradius erfasst. Die magnetischen Strömungen fluktuierten stark, der Schiffscomputer erlitt Fehlfunktionen, es kam zum systeminternen Kollaps. 29 Kühlkammern wurden infolge der starken Erschütterungen beschädigt, von einigen unglücklichen Terranern in diesen defekten Kammern platzten die Köpfe durch den Druck wie reife Tomaten. Andere hatten weniger Glück mit diesem schnellen Tod, sie erwachten und erstickten qualvoll, entweder an ihrem eigenen Blut aufgrund schwerer Verletzungen oder der giftigen Rauchentwicklung durch die Schäden an Bord. Das Kolonieschiff war verloren; es wurde von einer riesigen ungezügelten Anomalie förmlich verschluckt und driftete in eine völlig andere Galaxie ab.

Raumschiffe terranischer Bauart fanden das führerlos im All schwebende Kolonieschiff. Die Raumschiffe gehörten allerdings nicht zu der terranischen Population des Koprulu-Sektor. Weder diese fremden Terraner noch die überlebenden Kolonisten an Bord des Kolonieschiffs ahnten, dass ihre Existenz auf geheimnisvolle Weise miteinander verknüpft war. Nach der Bergung des Kolonieschiffs lernten sowohl die fremden Terraner von der Zivilisation ihrer Artgenossen im weit entfernten Koprulu-Sektor, als auch die erstaunten konföderierten Kolonisten von der terranischen Bevölkerung an diesem abgelegenen Ort. Dieser erste Kontakt war seltsam. Seltsam vertraut. Und doch völlig fremd. Die fremden Terraner waren keinesfalls soweit entwickelt wie die Terraner im Koprulu-Sektor. Sie waren der einfachen und frühen Raumfahrt mächtig, allerdings nicht auf dem technologischen Stand der Konföderation oder ganz und gar der UPL von der schier endlos weit entfernten Erde.

Doch das sollte sich ändern! Durch die Technologien an Bord des Kolonieschiffs erfuhren die Terraner an diesem unbekannten und abgeschiedenen Ort einen wahren Boost in ihrer Entwicklung. Diese Epoche sollte später als der „Große Sprung“ bezeichnet werden. Nach geraumer Zeit hatten die Wissenschaftler der überlebenden Kolonisten herausgefunden, was mit ihnen während ihres Schlafes geschehen war. Zumindestens rekonstruierten sie das Gröbste zusammen, um zu einem halbwegs vernünftigen Schluss zu gelangen. Letztlich wurde zweifelsfrei klar, dass es definitiv keinen Weg zurück gab. Die für die Odyssee verantwortliche Anomalie konnte quasi von dieser Seite her nicht passiert werden, es war wie eine Einbahnstraße. Alternativ blieb nur die Reise zurück in den Koprulu-Sektor, doch nach etlichen Berechnung schien es keinen Zweifel mehr daran zu geben, dass diese Reise mehrere Jahrhunderte dauern würde… Es gab keinen Weg zurück!