Rezension von »Flashpoint«

Vorwort

Einst stand auf der Rückseite der Verpackung der einzig offiziellen StarCraft-Erweiterung Brood War der vielsagende Slogen „Der Overmind ist gefallen”. Nun prangt auf dem Buchrücken des jüngsten StarCraft-Romans »Flashpoint« der nahezu identische Schriftzug „Die Königin der Klingen ist gefallen”. Ein (ironiegeladener) Zufall? Optisch jedenfalls kommt das Buch in ebenso pompöser Aufmachung wie »Heaven’s Devils« und »Teufelskerle« daher, was wohl die Bedeutung zum aktuellen Medium StarCraft II unterstreichen soll: Der edle Hochglanz-Umschlag, der Jim Raynor und Sarah Kerrigan vor ihrer Verwandlung in eine Zerg auf dem Frontcover zeigt, schließt sich wieder schützend um den schwarzen Einband mit weißfarbener Schriftart.

Allerdings fehlen diesmal Artworks oder die Zeittafel im Inneren, was aber auch keinen Sinn machen würde, denn diese Tafel wäre kaum um neue Ereignisse zu ergänzen. Das über 300 Seiten starke Buch ist das inzwischen fünfte von der fest etablierten Autorin Christie Golden, die ohne Frage eine treibende Kraft im Bereich der Printmedien allein von StarCraft ist. Im Vorfeld wurde »Flashpoint« damit beworben, dass es die Lücke zwischen Wings of Liberty und Heart of the Swarm schließen wird. Und wirklich: Nur wenige Atemzüge nach dem dramatischen Ende von Wings of Liberty setzt das Buch ein…

Inhalt

Jim Raynor hat Tychus Findlay ins Gesicht geschossen. Der riesenhafte Hüne hatte sich seinem unausweichlichen Schicksal ergeben und war bereit den ultimativen Preis in Form seines Lebens zu zahlen. Nach allem, was Raynor und seine Vielzahl an Mitstreitern durchgemacht hatten, um Sarah Kerrigan alias die Königin der Klingen der vollen Wirkung des mühsam beschafften Xel’Naga-Artefakts auszusetzen, überschlagen sich nun weiter die Ereignisse.

Verzweifelt versuchen Raynor und seine Raiders die extrem geschwächte Sarah Kerrigan in Sicherheit zu bringen und schließlich mit heiler Haut aus dem Hexenkessel Chars zu entkommen. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit haben die Zerg die das Kollektiv steuernde Intelligenz verloren und sind damit ihrer Kontrolle beraubt worden, was erneut in beispiellosem Chaos unter den Zerg gipfelt, allerdings Raynor und seinen Männern die dringend benötigte Zeit verschafft die umkämpfte Oberfläche von Char zu verlassen.

Besorgt von der Tatsache, dass es Kerrigan weiter sehr schlecht zu gehen scheint und sie aufgrund ihrer Tentakelhaare scheinbar nicht vollständig in ihre menschliche Form zurückverwandelt worden ist, drängt der junge Thronerbe und Initiator des gesamten wahnwitzigen Unterfangens, Valerian Mengsk, dazu sie in einer besseren medizinischen Einrichtung untersuchen zu lassen. Obwohl Raynor vehement dagegen ist, aus Kerrigan erneut eine „Laborratte” zu machen, schließlich kennt er wie kein anderer ihrer grauenvolle ex-konföderierte Vergangenheit, willigt er schließlich aus immer wachsenderer Sorge um sie ein.

Der zwielichtige Emil Narud
Dr. Emil Narud

Da Raynor nach wie vor sehr misstrauisch gegenüber Valerian Mengsk ist, der zu Beginn offenbar sogar weitere Absichten als nur die Rettung Kerrigans hegt, besteht er darauf bei allen Untersuchungen anwesend zu sein. Valerian hingegen versichert Raynor, dass es nur einen absoluten Zerg-Spezialisten gäbe, der Kerrigan in ihrem momentanen Zustand helfen könne: Dr. Emil Narud.

Für den Kronprinzen Valerian steht die wohl schwierigste Entscheidung seines Lebens an: Wird er Kerrigan ausliefern oder bricht er mit seinem Vater? Doch die Liga ist nicht das einzige Problem, das Raynor hat, während er versucht wieder Zugang zu Kerrigan zu finden und feststellen muss, dass das alles andere als einfach ist. Am Ende kommt es auf einer streng geheimen Forschungsstation zum finalen Showdown, als Kerrigan sich daran erinnert, dass sie Dr. Emil Narud irgendwo her kennt und er ein schreckliches Geheimnis verbirgt…

Rezension

Es besteht kein Zweifel: Dieser Roman ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Es ist wirklich eine absolut herrliche und treffende Ironie, dass der eingangs erwähnte Schriftzug „Die Königin der Klingen ist gefallen” auf der Buchrückseite steht – ähnlich wie auf der Rückseite der Verpackung von Brood War – denn man kann wirklich ohne Übertreibung »StarCraft II: Flashpoint« fast schon als reines Add-on zur Kampagne Wings of Liberty betrachten.

Selten gab es einen Roman, der so unfassbar viel Stoff aus der spielbaren Kampagne aufarbeitet und die Storyline so dermaßen konsistent weiterführt. Große Anerkennung und tiefer Respekt gebührt Christie Golden, die mit »Flashpoint« eine absolute Meisterleistung hingelegt hat und eindrucksvoll beweist, wie stark sie in den letzten Jahren mit dem StarCraft-Universum verschmolzen ist. Rasant und dynamisch pumpt sie die Action von Seite zu Seite, gewürzt mit entscheidenden und im höchsten Maße interessanten Details.

Dabei fließt wirklich alles in »Flashpoint« ein: Originalgetreue Dialogzeilen und zahlreiche Verweise aus den Kampagnen von StarCraft, von Brood War und natürlich StarCraft II: Wings of Liberty. Auch die Ereignisse von zahlreichen vorangegangenen Büchern wie die Dunkle Templer-Trilogie oder Manga wie StarCraft: Frontline, aber natürlich auch weitere wertvolle Informationen aus der Vergangenheit von Jim Raynor, Sarah Kerrigan, Arcturus Mengsk, Valerian Mengsk oder Matt Horner. Sogar die Nebencharaktere Rory Swann und Egon Stetmann sowie die eher als sprechende Statisten im Spiel eingeführten Personen wie die Technikerin Annabelle, der Barmann Cooper oder der Navigator Marcus Cade haben ein Platz und eine Bedeutung in »Flashpoint«.

Annabelle
Annabelle
Cooper
Cooper
Marcus Cade
Marcus Cade

Die einzelnen, vertiefenden Rückblicke im gesamten Buchverlauf beziehen sich jedoch immer auf die beiden Hauptdarsteller Jim Raynor und Sarah Kerrigan und sind stets mit den beiden entsprechenden Jahreszahlen 2500 (Vergangenheit) oder 2504 (Gegenwart) markiert. Abwechselnd wird aus den jeweiligen Perspektiven der beiden Protagonisten erzählt. Die dabei entstehenden Einblicke sind Gold wert für jeden StarCraft-Fan.

Sie zeigen zweifelsfrei, dass die Königin der Klingen nicht mehr länger existiert, allerdings wird auch nicht ganz klar, wieviel von den grauenhaften Taten der Königin der Klingen wirklich die menschliche Seite von Sarah Kerrigan zu verantworten hat. Der Leser wird auf jeden Fall mit Sarah Kerrigans purer Menschlichkeit in Form von Geist und Seele konfrontiert und man bekommt vor Augen geführt, warum Jim Raynor diese Frau so abgöttisch liebt und was die Verbindung der zwei ausmacht.

Jim hatte Sarah nie aufgegeben…

»StarCraft: Flashpoint« sprüht wie bereits gesagt vor Action, explodierenden Emotionen, reichlich Humor und vielen unvorhergesehenen Wendungen. Doch der wohl mit bedeutsamste Augenblick ist der Moment, als Dr. Emil Narud die Bildfläche betritt. Das Buch ergründet das Geheimnis um die geheime Forschungsstation auf Castanar, vieles fügt sich zusammen. Doch das könnte natürlich auch ein Problem bedeuten, denn wer »Flashpoint« nicht gelesen hat oder vielleicht zu allem Überfluss gar nichts von dessen Existenz weiß, dem könnten wichtige Dinge entgehen.

Denn der Roman mutiert auch ganz plötzlich zu einer absoluten Pflichtlektüre, selbst für Storyfans, die bisher keine Romane gelesen haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Heart of the Swarm höchstens ein paar Fetzen daraus erzählen, wenn überhaupt. Und ohne Kenntnis des Romans könnte es daher zu einem Bruch kommen, insbesondere weil sich nicht nur Orte, sondern auch Charaktere in »Flashpoint« verändern.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Bei solch einem Mammutroman schleichen sich natürlich auch Fehlerteufel ein. Von deutscher Seite aus muss zuerst Übersetzer Timothy Stahl erneut kritisiert werden. Zwar macht er inzwischen einen überwiegend guten Job, bis auf einige peinliche Ausrutscher, aber nach über zehn Jahren sollte ihm das einfach nicht mehr passieren. Ob Herr Stahl weiß, dass die Wraiths in der deutschen Sprache Raumjäger heißen? Oder das man so etwas ergooglen kann? Stattdessen kreiert er wieder einmal englische Mischbegriffe wie Wraith-Jäger oder auch Viking-Jäger, die jeden StarCraft-Kenner schmerzerfüllt die Augen zusammenkneifen lassen.

Ein paar kleine, sehr vertrackte Logikfehler haben sich leider auch bei der Autorin eingeschlichen, die vielen vielleicht gar nicht auffallen:

► Jim Raynor wird in einem Flashback als vermeintliche Testperson von Kerrigan in ein Labor auf Orna III überführt, auf einer Trage angeschnallt. Die Wissenschaftler begutachten Raynor mit den Worten „Ah, der berüchtigte Raynor...”, nur zu diesem Zeitpunkt war Raynor überhaupt gar nicht berüchtigt. Er war ein Niemand. Bekannt und vor allem berüchtigt im ganzen Sektor wurde er erst nach dem Ende von Brood War und durch den anschließenden jahrelangen Kampf zwischen Raynors Raiders und Mengsk und seiner Terranischen Liga.

► In einem weiteren Flashback befindet sich Raynor in einer hitzigen Unterhaltung mit Kerrigan über die wahren Motive von Mengsk kurz vor dem Fall von Tarsonis; er fährt sich im Verlauf dieser Unterhaltung mit der Hand durch die Haare, nur hatte er zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Haare, sondern eine Glatze.

► Bei der Beschreibung des Hybriden heißt es, einer von ihnen habe Sensenarme eines Mutalisken, doch nur Hydralisken haben Sensenarme.

► Egon Stetmann wird im Buch fortwährend falsch geschrieben, nämlich Stettmann. Es ist allerdings nicht klar, ob das dem Übersetzer oder der Autorin zuzuschreiben ist. (Vermutlich ersterem!)

Was erfreulich ist: im Gegensatz zu vielen Kurzgeschichten und auch Wings of Liberty wird in »Flashpoint« zum Glück nicht schon wieder eine unzählige Menge an neuen Planeten eingeführt. So reichhaltig das Universum, respektive der Koprulu-Sektor mit seinen angrenzenden Sektoren auch sein mögen, irgendwann ist es einfach unrealistisch, dass aus etwas mehr als einem Dutzend besiedelter Welten mehr als das doppelte geworden ist. In vier Jahren kann es unmöglich zu so einem Boom an Besiedlungen gekommen sein. »Flashpoint« nutzt da glücklicherweise vor allem bekannte Orte und führt neue nur wenn unbedingt nötig ein.

Einer interessanten Figur widmet sich »Flashpoint« allerdings nicht: General Horace Warfield, der beim Angriff auf Char eine maßgebliche Rolle spielte, wird im Buch überhaupt nicht erwähnt. Offenbar befindet er sich noch auf dem Planeten, wie man auch den Vorabinfos zu »Heart of the Swarm« entnehmen konnte. Sein Fehlen ist schade, da der Charakter durchaus eine interessante Geschichte vorzuweisen hätte. Das schmälert aber die Qualität des Buches nicht, zumal seine Abwesenheit wohl einfach eine Vorgabe von Blizzard an die Autorin gewesen sein dürfte.

Fazit

So etwas hat es nie zuvor gegeben: Nach über einem Dutzend Romanen zu StarCraft markiert »Flashpoint« einen Wendepunkt. Es ist diesmal keine Vorgeschichte, keine Nebengeschichte, sondern die ungeschminkte Brücke zwischen der Terraner- und Zergkampagne von StarCraft II. Dieses Buch ist mit Abstand das beste StarCraft-Buch, das je veröffentlicht worden ist. Es greift eine Fülle von losen Enden auf und verbindet Charaktere aus dem Spiel mit denen aus vorherigen Büchern sowie Manga und gerade das macht es so interessant. »Flashpoint« setzt einen hervorragenden Ausgangspunkt für Heart of the Swarm. Die Frage, die noch 2010 im Raum stand, wie groß der Abstand zwischen Wings of Liberty und Heart of the Swarm sein würde, wird von »Flashpoint« vollmundig ausgefüllt. Das heißt für StarCraft-Fans, deren Herz für die Story schlägt, aber auch folgendes: SOFORT KAUFEN!

Buch-Information

Titel:StarCraft II: Flashpoint
Autor:Christie Golden
Übersetzer:Timothy Stahl
Umfang:317 Seiten
Erscheinungsdatum:November 2012
ISBN:978-3-8332-2441-6
Preis:19,95 €
Link: (Panini-Shop)StarCraft II: Flashpoint

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