Inhalt
Vom terranischen Schlachtkreuzer Emperor’s Fury war nur noch ein Wrack übrig. Neben den verbogenen, oder geschmolzenen oder auch verätzten Neostahl, aus dem der Rumpf einst bestand, konnten im Hinblick auf interaktive Daten nur noch Überreste von beschädigten Audiodateien geborgen werden. Die dazugehörige Bildgebung, die Holo-Dateien, waren leider nicht mehr wieder herstellbar.

Im Betreff besagter Audiodateien gelang es immerhin den Namen einer terranischen Sanitäterin zu transkribieren: Private Maren Ayers vom 128. Platoon „Iron Jesters“, zuletzt unter dem Kommando von Lieutenant Travis Orran. Sie war die Tochter eines renommierten Wissenschaftlers, Dr. Talen Ayers. Der Empfänger des Audiologs hingegen war ein gewisser Captain Carl Sentry, Arzt im Bereich für Sonderforschung.
Captain Gentry begann das aufgezeichnete Gespräch mit einer offenbar körperlich wie mental angeschlagenen Private Ayers zu führen, nach anfänglichen Smalltalk geht es dann auch direkt zur Sache. Die Sanitäterin beginnt von ihrem letzten Einsatz zu berichten. Ihre Einheit sollte sich eigentlich zu einem entlegenen Außenposten auf der Eiswelt Anselm begeben, als plötzlich neue Befehle von der Liga-Thronwelt Korhal IV eintrafen.
Alle Schweren Kreuzer der Minotaurus-Klasse, die Nachfolger der langjährig verwendeten Behemoth-Klasse, sollten umgehend nach Korhal zurückkehren, um sich für den interatmosphärischen Kampf nachrüsten zu lassen. Alle nicht kritischen Missionen seien aufzuschieben, sämtliche Passagiere und Fracht am nächsten bewohnbaren Kontrollpunkt auszuladen, um so schnell wie möglich zum Hauptquartier auf Korhal zurück warpen zu können.
Die Berechnungen ergaben, dass der Minenplanet Sorona, eine rostrote, öde Steinwüste, die am Rand des erreichbaren Systems lag, als einziger Kontrollpunkt für den Kreuzer Emperor’s Fury in Frage kam. Angekommen auf der Oberfläche des Planeten, fand die Einheit von Private Ayers jedoch nur eine völlig verlassene Kolonie vor. Hier schien etwas geschehen zu sein, wovon bislang niemand Notiz genommen hatte.
Lieutenant Orran entschied alle Vorräte aufzusammeln, die transportfähig waren, und zu Fuß zum nächsten Kolonie-Außenposten, ein kleines Nest namens Cask, zu marschieren. Dort wollte man Kontakt zum örtlichen Magistrat (Bürgermeister) herstellen und alles Weitere klären. Auf dem Weg nach Cask jedoch, brach die Hölle über die unvorbereitete Truppe herein.
Nichts Böses ahnend, sogar noch witzelnd, dass man sich nun auf dem langen Marsch nach Cask noch etwas Sonnenbräune holen könne, bevor es danach in die Kälte des Eisplaneten Anselm ginge, ergoss sich von einer Minute auf die andere ein heftiger Angriff der Zerg auf das Marine-Platoon.
Den Schilderungen von Private Ayers zufolge, entlud sich die geballte Brutalität der Zerg auf die terranischen Soldaten, die sich urplötzlich in einem Alptraum der schlimmsten Sorte wiederfanden. Ein Rudel eingegrabener Zerglinge, ein gutes Dutzend, fiel über die nicht auf einen Kampf eingestellten Soldaten her, halbierte in wenigen Sekunden die halbe Einheit.
Dank Lieutenant Orran gelang es sich zu formieren und die Angreifer zu eliminieren. Zu Hilfe kamen schließlich die überlebenden Kolonisten von Cask, die den Tumult hörten. Mit einem alten Minenfahrzeug auf Ketten und deutlichen Kampfspuren mit den Zerg, war man zumindest gegen einen weiteren Angriff aus dem Untergrund vorerst sicher.
Den Kolonisten stand Hoffnungslosigkeit ins Gesicht geschrieben, waren sie doch enttäuscht, dass nur ein blauäugiges Platoon zu ihrer „Rettung“ gekommen war, das soeben aufgemischt worden ist. Der Bericht der Kolonisten war jedoch noch viel unglaublicher: Offensichtlich hatten es die Kolonisten von Cask geschafft ganze 8 Monate die Zerg in Schach zu halten.
Das lag überwiegend daran, dass Cask innerhalb einer hochwandigen Schlucht lag und dadurch wie ein Fass eingeschlossen war. Das bot nicht nur Schutz vor der gnadenlosen Sonne, Luftangriffe waren dadurch ebenfalls kaum möglich. Zugang zum Inneren der Kolonie bot nur ein schmaler Engpass, den die Kolonisten liebevoll den Keil nannten. Dieser Zugang war mit einer improvisierten Barrikade so gut wie unüberwindbar gemacht.
So unglaublich es klang, aber die Kolonisten hatten es geschafft die Zerg nur mit Schrotgewehren und Bergbaulasern aufzuhalten. Und diese Zermürbungsstrategie trug Früchte, die Zerg konnten auf Distanz gehalten werden. Doch die Kolonie war am Ende! Unterversorgung brachte das schleichende Ende, es war nur noch eine Frage der Zeit.
Und die Zerg griffen kurz nach der Ankunft von Private Ayers Einheit erneut an! Die Marines konnten zwar ihre Waffengewalt einsetzen, um sie effektiver zurückzuschlagen, aber die Zerg schienen zu erkennen, dass hier kein Weiterkommen möglich war und zogen sich plötzlich zurück. Sie waren daraufhin tagelang nicht mehr zu sehen.

Als sie dann schließlich doch zurückkehrten, hatten die Zerg sich verändert. Sie hatten eine beängstigende Metamorphose durchgemacht, um der Unzugänglichkeit der feindlichen Kolonie zu begegnen. Noch ahnte keiner der Kolonisten und Marines, dass nur die Sanitäterin Private Ayers das kommende Inferno überleben und später Captain Gentry davon berichten würde.
Rezension
Offiziell als Kurzgeschichte betitelt, ist Aufgeborsten ein ziemlich einzigartiges Werk. Es ist eine reine Transkription von einem mitreißenden Gespräch zwischen einem Private (Freiwillige) und einem höheren Dienstgrad (Captain), die in jeder Sekunde tief unter die Haut geht. Besonders in bedeutungsschwangeren Momenten wie dem Künden der bevorstehenden Ankunft der Zerg, erzeugt das Gänsehaut in Reinform.
Relativ schnell wird aber klar, dass der Inhalt des aufgezeichneten Gesprächs eher ein Verhör ist. Offenbar wurde Private Ayers nach dem finalen Angriff der Zerg auf Sorona als einzige noch lebende Soldatin von dem Schweren Kreuzer Emperor’s Fury aufgelesen und anschließend an Bord des Schiffes von deren Captain Gentry einem Kreuzverhör unterzogen. Private Ayers hat die Hölle auf Sorona überlebt, die kein anderer überlebt hatte. Weder die Kolonisten, noch Soldaten. Warum? Weil eine Begegnung mit den Zerg meist tödlich endet.

Den Schilderungen zufolge hatten die verschlagenen Zerg einen Weg gefunden ihre Beute zu stellen. Mit einer spektakulären Metamorphose, hervorgerufen durch einen einheimischen Schimmelpilz, waren die Zerglinge in Berstlinge mutiert, mit gefüllten und hoch explosiven Säurepusteln, die einfach alles in die Luft sprengen oder verätzen, mit dem sie in Kontakt kommen.
Die Kurzgeschichte Aufgeborsten ist natürlich eine Art Vorstellung der neuen Zerg-Einheit Berstling in Starcraft 2. Eingebettet in eine äußerst mitreißende Storyline, die wiedergibt, wie die Terraner zum ersten Mal auf die explosiven Berstlinge gestoßen sind. Man ist fast geneigt zu sagen, dass Krieg eben nur Monster hervorbringt, aber es bleibt jedem selbst überlassen zu entscheiden, wieviel Wahrheitsgehalt in dieser These steckt.
Zugute kommt der Kurzgeschichte auf jeden Fall, dass sie von Cameron Dayton, einem Mitarbeiter von Blizzard Entertainment höchstselbst, geschrieben worden ist. Oftmals fehlt bei einem externen Autor, gerade bei Kurzgeschichten, aufgrund der Kürze des Mediums eine gewisse Komponente: die Authentizität. Das ist hier aber nicht der Fall, zu jeder Zeit fühlt sich die Kurzgeschichte nach reinrassigen Starcraft an.

Zu erwähnen wäre abschließend noch, dass Dr. Talen Ayers, der Vater von Maren Ayers, einige Jahre später in der sozialen Medien-Kampagne „Projekt Blackstone“ vorgestellt worden ist. Es ist unbekannt, ob Dr. Ayers von dem Schicksal seiner Tochter wusste, aber sein Verhalten im Verlauf des Blackstone-Projekts lässt darauf schließen, dass er dem Regierungsapparat der Liga eher skeptisch gegenübersteht. Dr. Talen Ayers spielt in „Aufgeborsten“ zwar keine Rolle, dieser Punkt wurde aber aus Gründen der Zusammengehörigkeit festgehalten.
Fazit
Die Kurzgeschichte Aufgeborsten fällt völlig aus dem Rahmen und das in jeglicher positiver Hinsicht. Sie ist keine der üblichen Abhandlungen von einer handlungsgebundenen Erzählung wie etwa andere Kurzgeschichten, sondern eine Transkription eines äußerst mitreißenden Verhörgesprächs zwischen zwei Militär-Angehörigen der Terranischen Liga. Dem Leser verlangt es beim Verfolgen des Gesprächs mehr und mehr danach zu wissen, wie diese spannende Schilderung ausgeht. Und das spricht für die enorm hohe Qualität dieser Geschichte, die einfach niemand, der entweder Starcraft oder auch Science-Fiction generell mag, auslassen sollte.
Aufgeborsten

- Autor: Cameron Dayton
- Artwork: Luke Mancini
- Erscheinungsjahr: 2010
* Übersetzung: Chris „Eredalis“ Vogler